Deutsch (Deutschland)

5 Welches ist das "originale" Klangbild?

5.1 Frühe Musik (bis Anfang 17. Jh.):

Für die Musik der Renaissance, bis hin zum Anfang des 17. Jahrhunderts, kann man kaum einen bestimmten Flötentypus als das authentische Instrumentarium schlechthin festlegen. Flöten in Ganassi-Bauweise sind sicherlich nicht die Instrumente, die zu dieser Zeit, auch für das diminuierende Spiel in Italien, gängig waren. Von daher ist die Ganassi-Flöte sicherlich in ihrer heutigen Verbreitung nicht "original". Andererseits stellt sie spielerische Möglichkeiten zur Verfügung, die der Musik aus dieser Zeit besonders entgegenkommen und sie daher für die Aufführung gerade geeignet erscheinen lassen.           

Meist war die Literatur dieser Zeit nicht oder nur locker für ganz bestimmte Instrumente konzipiert, so dass es durchaus legitim scheint, einfach dasjenige Instrument zu benutzen, mit dem es "am besten geht".

5.2 Frühbarocke Sololiteratur (z. B. van Eyck):

Für die Literatur des 17. Jahrhunderts wird oft ebenfalls die Ganassi-Flöte gebraucht. Andererseits wären typische Frühbarock-Flöten mit unten verengter Bohrung und ihrem etwas obertönigen, feineren Klangbild der Musik wohl   entsprechender. Gerade auf diesen Instrumenten haben die Töne des höchsten Registers eine Art "Ausnahmecharakter" und klingen wirklich etwas sensationell, Höhepunkte betonend, im Gegensatz zu den Ganassi-Instrumenten, deren hohe Lage viel "selbstverständlicher" und dominanter erscheint.           

5.3 Spätbarocke Literatur:

Für die Literatur des Spätbarock kann man sich gut an den jeweiligen nationalen Stilen bzw. den verschiedenen Schwerpunkten der jeweiligen Musik orientieren.           

So sind Instrumente aus der englischen Bauschule wie etwa von Bressan besonders geeignet für Musik, bei der klangliche Subtilität im Vordergrund steht und farbliche Differenzierungen besonders gefragt sind.

Man denkt hier sofort an Händels Blockflötenmusik, aber natürlich auch an die gesamte französische Literatur.

Schlankere Instrumente, wie wir sie aus Nürnberg, etwa von Denner her, kennen, eignen sich vor allem für Literatur, bei der Tempo, Brillanz und Virtuosität im Vordergrund stehen und man auf sehr schnell und wendig   reagierende Instrumente angewiesen ist.

Telemanns Blockflötenwerk ist ohne Dennersche Blockflöten kaum zu denken, auch die italienische Literatur der Zeit ist auf diesen Instrumenten "zuhause". Zwar mag man einwenden, dass vor allem Corellis Werke auch und   gerade in London verlegt wurden, und natürlich ist es "historisch richtig", "La Follia" auf einem Instrument nach Bressan zu spielen. Jedoch gilt auch hier, dass man einfach selbst entscheiden möge, welcher Typus die Musik am besten zum klingen bringt und das ideale Werkzeug in den Händen des Spielers darstellt.

Denn letzten Endes sind Musikinstrumente auch kein Selbstzweck, sondern immer Werkzeuge zum Gebrauch durch den Spieler.